Dank an Eberhard Heuss

Eine Ära geht nun leider in Lindau zu Ende: Pfarrer Eberhard Heuss von der Insel-Pfarrei St. Stephan geht Ende des Monats März in Ruhestand und verlässt dann Lindau ganz.

Damit verlieren wir nicht nur einen langjährigen engagierten Unterstützer unseres Kunstvereins. Es geht auch ein besonders kunst- und kultur-affiner Visionär und Liebhaber der Kunst, dem es zu verdanken ist, dass St. Stephan zur “Kunst-Kirche” wurde. Er organisierte, dass seit einigen Jahren unser Kunstverein, die “Kunstfreunde Lindau e.V.”, in Zusammenarbeit mit der Kirchengemeinde, seine jährlichen Ausstellungen zeitgenössischer Kunst in St. Stephan ausrichten darf und damit eine neue Ausstellungs-Heimat hat, seit das Stadtmuseum dafür weggefallen ist. Die Weitsicht und das Engagement von Pfarrer Heuss gab damit auch der Gemeinde St. Stephan einen neuen attraktiven Schwerpunkt: “Kunst in St. Stephan”.  Von diesem sehr speziellen Alleinstellungsmerkmal einer “Kunst-Kirche” profitiert nicht nur die Kunst, die ausgestellten Künstler und der ausstellende Kunstverein, sondern natürlich besonders auch die Kirchengemeinde St. Stephan, die durch den gesteigerten Besuch attraktiver oder auch kontrovers diskutierter zeitgenössischer Ausstellungen zusätzlichen vermehrten Besuch in die Kirche bekommt, auch von dafür speziell anreisenden Touristen. Eine Zählung über einen längeren Zeitraum hat Tausende zusätzlicher täglicher Kirchenbesucher-Touristen in den Sommermonaten gezählt.

Pfarrer Heuss erfand auch im Zusammenhang mit den Ausstellungen das Gottesdienst-Format des “Kunst-Gottesdienstes”, bei dem jeweils ein Kunstwerk oder eine Ausstellung Thema der gedanklichen und diskutierten Auseinandersetzung mit den Gottesdienstbesuchern ist und auch Anlass und Thema der Predigt und der Gebete darstellt. Diese Kunst-Gottesdienste wurden in Zusammenarbeit mit dem Vorstand unseres Kunstvereins monatlich organisiert und durchgeführt. Der letzte, von Pfarrer Heuss geleitete Kunst-Gottesdienst am Sonntag, 13.2. ließ noch einmal die versammelten Gottesdienst-Besucher gemeinsam Gedanken und Erkenntnisse anhand eines Kunstwerks erarbeiten und in einem Zusammenhang mit den Bibelworten, den Gesängen und der Kirchenmusik begreifen. Dieses Gottesdienst-Format soll auch zukünftig weiter durchgeführt werden.

Wir konnten als Kunstverein (und speziell der engere Vorstand) viele Jahre extrem gut mit Eberhard Heuss zusammenarbeiten und sind sehr dankbar dafür, auch für seine Freundschaft. Sein Weggang hinterlässt in jeder Beziehung, kulturell wie menschlich eine riesige Lücke.

Für seinen neuen Lebens-Abschnitt, den er mit seiner Familie in Konstanz verbringen wird, wünschen wir ihm alles erdenklich Gute und auch künstlerisch erfüllte Jahre. Wir hoffen natürlich trotzdem auf viele Begegnungen mit ihm bei Besuchen in Lindau.

 

Sommerausstellung in Planung

Die diesjährige große Kunst-Ausstellung findet, wie in den letzten Jahren, wieder von Juni bis Oktober in St. Stephan auf der Lindauer Insel statt.

Nachdem sich (zunächst eher zufällig) seit 2017 eine Bevorzugung weiblicher Künstlerinnen ergeben hatte, haben wir uns dies nun für einige Zeit einfach zum Auswahl-Prinzip gemacht. Wir zeigen also zum 6. Mal in Folge (2017: Tessa Knapp, 2018: Birgit Feil, 2019: Brigitta Loch, 2020: Ulrike Donié, 2021: Angelika Flaig) weibliche zeitgenössische Kunst mit der Malerei der Künstlerin ANNA HUXEL. Auch dieses Mal handelt es sich wieder um großformatige Malerei. Bei unserer Auswahl haben wir die besonders starkfarbigen, leuchtkräftigen Bilder bevorzugt, da sie besonders viel Fernwirkung haben werden und auch auf Distanz den gesamten großen Raum bespielen können. Die Arbeiten von Anna Huxel entstehen oft aus biblischem Kontext und bewegen sich zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion.

Voraussichtliche Daten der Ausstellung sind: Vernissage am 11. Juni 2022, Ausstellungszeitraum vom 12.6. bis 9.10.2022.

Anna Huxel: Telomerase, 2020, Öl auf Leinwand, 180 x 150 cm.

Abschlussveranstaltung der Ausstellung HIOB

Die Sommerausstellung “HIOB” mit den eindrucksvollen Arbeiten von ANGELIKA FLAIG in St. Stephan ging am Sonntag, 10.10.2021 zu Ende. An diesem Sonntag Abend fand noch einmal inmitten der Bilder von Angelika Flaig der letzte KUNSTGOTTESDIENST in diesem Jahr statt.

Pfarrer Heuss hatte sich zum Abschluss der Ausstellung noch einmal ein Werk der Künstlerin Angelika Flaig zum Anlass genommen, um summarisch die ganze “HIOB”-Ausstellung und das verflossene Jahr zusammenzufassen. Er wählte dafür das Bild „Freude“, das an der Kanzelseite ganz vorne zum Altar hängt.

Pfarrer Heuss stellte den schlimmen Ereignissen des Jahres, wie beispielsweise der Flutkatastrophe im Westen Deutschlands oder anderen vergleichbar schlimmen und plötzlich hereinbrechenden Katastrophen, die fürchterlichen Schicksalsschläge Hiobs gegenüber. Dabei zeigte er die Parallelen auf, wie wenig der Einzelne mit solchen Ereignissen umgehen kann und wie sehr er nach plausiblen Erklärungen dafür sucht. Und wie es Hiob nicht gelang, eine direkte Schuld als Anlass für sein schlimmes Schicksal festzumachen, so wenig können das die Betroffenen heutzutage. Niemand ist direkt nachweisbar und ursächlich schuld an klimabedingten Katastrophen, außer wir alle als derzeit lebende Menschheit, und das ist zu abstrakt und anonym und keiner fühlt sich so recht verantwortlich. Und natürlich muss man zugeben, dass es auch in dem gewählten Beispiel nicht derart schlimm hätte kommen müssen, wären funktionierende Warnsysteme und rechtzeitige Vorkehrungen zum Einsatz gekommen. So haben allerdings menschliches Versagen, Wurschtigkeit und Bürokratie die Lage verschlimmert. Wenn man aber einmal davon absieht, greifen einfache Schuldzuweisungen oder direkte Ursachenverknüpfungen mit dem Handeln Einzelner da nicht. 

Das hatte auch Hiob verstanden. Dieser gottesfürchtige Mann erlag bei allen Vorwürfen von außen nicht der naheliegenden und schnellen Versuchung, mit Gott zu hadern und ihm vorwurfsvoll abzuschwören. Er bleibt trotz aller Widrigkeiten fest in seinem Glauben. Dafür erhielt er schließlich auch den Lohn des späten Glücks, der positiven Wendung all seiner Probleme. So einfach geht das natürlich heute nicht. Wir sind nicht die Protagonisten einer lehrreichen, aber doch eher märchenhaften Erzählung aus dem alten Testament, die schließlich ein gutes Ende nimmt. 

Das kann man heute guten Gewissens keinem versprechen. Aber man kann darauf hinweisen, dass Vorwürfe, negative Deutungen, Verschwörungstheorien und Schuldzuweisungen niemandem in seiner Not nützen, dagegen positive Zuwendung und Hoffnung einem aber aus dunklen Gedanken und tiefen Tälern heraushelfen können. Und dass, wie bei Hiob, eine neue Wendung kommen kann, positive Möglichkeiten bestehen. 

Hier wies Pfarrer Heuss noch einmal auf das ausgewählte Bild von Angelika Flaig hin. Über der dunklen unteren Bildfläche ist eine Gruppierung von Figuren zu sehen, darunter besonders eine helle Frauengestalt mit Harfe. Sie ist einem Zyklus von Kupferstichen aus der Renaissance entnommen, in denen ein Künstler namens „Aldegrever“ die verschiedenen Tugenden in der Personifikation von Frauengestalten dargestellt hat. Angelika Flaig hat absichtlich diese Harfenspielerin zitiert, weil sie einen glücklichen Abschluss des Hiob-Zyklus ausdrücken kann. Es handelt sich nämlich, wie die Inschrift zeigt, um „Gaudium“, die Personifikation der Freude. Bei allen vorausgegangenen Beispielen in den anderen Bildern der Serie, wo Hiob so viel Schlimmes widerfährt, ist hier nun der erhoffte Wendepunkt, der tröstliche Endpunkt des Geschehens und der Ausblick auf Freude und Glück am Ende des Wegs.

Angelika Flaig erklärt die Bilder zu HIOB

Am Sonntag, den 8.August, fand ein außergewöhnlicher Kunstgottesdienst in St. Stephan statt: Die Künstlerin ANGELIKA FLAIG hatte extra die 700 km lange Anreise unternommen, um persönlich anwesend sein zu können. So konnten alle im Laufe der letzten Wochen und Monate aufgetauchten Fragen zu den ausgestellten Arbeiten beantwortet werden. 

Die erfreulich vielen Gottesdienst-Besucher merkten bald, dass der gewohnte Ablauf etwas anders war: sie konnten sich an diesem Abend nicht nur mit den umgebenden Bildern und den Texten zu HIOB auseinandersetzen, die Urlauberpfarrerin Petzold feinfühlig ausgewählt hatte (Lesung aus dem Buch HIOB, Kapitel 19). Sie erhielten nämlich authentische Informationen direkt von der Künstlerin. In einem Interview, das Uta Weik-Hamann von den „Kunstfreunden Lindau“ führte, präzisierte Angelika Flaig ihre tiefen Gedanken und Intentionen zu den Bildern.

Und plötzlich werden die abstrakten Grafiken lesbar und in ihrer Abfolge schlüssig, die grausame Geschichte Hiobs deutlich und es wird auch klar, warum diese Grafiken nur ohne Buntfarbigkeit wirken. Das Thema heißt nämlich eigentlich

Schwarz-Weiß 

„Wie lange plagt ihr meine Seele und peinigt mich mit Worten?“, fragt HIOB seine Freunde, die mit ihm darüber reden – ja: diskutieren – wo denn die Ursache liegen könnte, dass HIOB seine schweren lebensbedrohlichen Leiden erdulden muss. Verzweifelt ringen sie darum, die Wahrheit zu finden. Und sie sehen nur „richtig“ oder „falsch“ – „schwarz“ oder „weiß“. Die Suche nach der Wahrheit wir zur Qual für HIOB, so dass er voller Zorn die eingangs zitierten Worte ausruft. 

Schwarz-weiß sind auch die Arbeiten von Angelika Flaig; Schwarz-weiß, wie die Buchstaben einer Schrift in aller Regel dargestellt werden, so erläutert die Künstlerin den Verzicht auf Farbe. Die Schrift ist Träger der Wahrheit – so die vielfache Überzeugung, die heute in besonderem Maße in den elektronischen Medien ad absurdum geführt wird. 

Genauso ringen wir heute um die Wahrheit – insbesondere dann, wenn der allgemeine Wohlfühlraum zerbricht, wenn überraschende Ereignisse den geregelten Alltag jäh unterbrechen.

Eine der beispielhaft besprochenen Arbeiten (3.Bild v.l.) zeigt eben dieses Suchen: Eine Person, die im Dunkel verschwindet, sucht mit Hilfe einer Stableuchte nach der im chaotisch verwirrten Text versteckten Wahrheit. Je nach Standpunkt des Betrachters sind direkt dahinter die Evangelisten im Glasbild des Kirchenfensters zu sehen – und das ist so gewollt … 

Die Dualität „schwarz-weiß“ in deren Bedeutung von gut und böse, richtig und falsch, Orientierung ermöglichend oder verwehrend, belebend und zerstörend – sie findet sich in den Engeln des Lichts und der Finsternis. Angelika Flaig sieht ihre grafischen Arbeiten in Bezug zu den expressiven Texten der Bibel oder auch eines Ivan Goll, der während des ersten Weltkriegs u.a. folgende Verse niederschrieb: 

Vergebens in Versammlungsreden Verlangten wir das Licht für jeden. Nun sagen sie, beim Brudermorden Sei’n wir zu guten Bürgern worden, Und gönnen uns den Ruhm der Narren, Dieweil sie Massengräber scharren.“ 

Ein weiteres Bild, in dem Christus nackt dargestellt ist, hat verschiedene Bezüge: 

Inspiriert vom japanischen Butoh-Tanz, der Tabu-Themen wie Krankheit, Tod, Elend durch (fast) nackte Tänzer darstellt verweist Angelika Flaig an die Aussage im Buch Hiob 1,21  „Ich bin nackt von meiner Mutter Leibe gekommen, nackt werde ich wieder dahinfahren. Der HERR hat’s gegeben, der HERR hat’s genommen; der Name des HERRN sei gelobt!“, aber auch an die Pressefotos, in denen im Irakkrieg Kriegsgefangene in menschenverachtender Weise nackt vorgeführt wurden. Nicht zuletzt wurde Jesus bei der Kreuzigung nahezu vollständig seiner Kleider beraubt. 

Im Bild mit dem Lyra-spielenden Engel und einem Text von Heinrich Aldegrever (ca. 1550) öffnet sich für Angelika Flaig die Tür zur Hoffnung, die sich in HIOB 42 erfüllt: Und Hiob antwortete dem HERRN und sprach: Ich erkenne, dass du alles vermagst, und nichts, das du dir vorgenommen, ist dir zu schwer.  »Wer ist der, der den Ratschluss verhüllt mit Worten ohne Verstand?« Darum hab ich ohne Einsicht geredet, was mir zu hoch ist und ich nicht verstehe. »So höre nun, lass mich reden; ich will dich fragen, lehre mich!« Ich hatte von dir nur vom Hörensagen vernommen; aber nun hat mein Auge dich gesehen. Darum gebe ich auf und bereue in Staub und Asche. Und der HERR wandte das Geschick Hiobs, als er für seine Freunde bat. Und der HERR gab Hiob doppelt so viel, wie er gehabt hatte. 

Original-Lithos von Angelika Flaig zu sehen

ab 10.7.2021 sind in der Galerie Peregrinus e.V. in Scheidegg parallel zur Lindauer Ausstellung die Original-Lithografien der großen Banner zu sehen. Die Galerie zeigt unter dem Titel “HIOB und IKARUS im Garten der Zeit” lithografische Zyklen von Angelika Flaig. Diese Ausstellung ist vom 10.7. bis zum 12.9. nach Voranmeldung ( Tel.01577-6088145 ) im Hitzenbühl 9 in 88175 Scheidegg zu besichtigen.

Dort bekommt man auch den aktuellen Katalog der Lindauer Ausstellung.

Katalog zur Ausstellung

Zur aktuellen Ausstellung “HIOB” von Angelika Flaig in Lindau in St. Stephan ist ein sehr schön gestalteter Katalog erschienen. Auf 32 Seiten im DIN A4-Format sind die Bild- und Raum-Eindrücke der ausgestellten Werke eindrucksvoll und in einfühlsamen Korrespondenzen abgebildet.

Der Katalog ist außer bei der Künstlerin über die Kirchengemeinde St. Stephan oder den Kunstverein KUNSTFREUNDE LINDAU E.V. für € 10,00 erhältlich. Bei Interesse schreiben Sie uns bitte an oder melden Sie sich bei uns.

Die Ausstellung ist eröffnet

Am Samstag, 29.5. fand vor einem (wohl coronabedingt) sehr erlesen kleinen Zuhörerkreis die Ausstellung-Eröffnung in St. Stephan statt. Nun sind die großformatigen Drucke der HIOB-Serie von ANGELIKA FLAIG bis zum 10. Oktober täglich zu sehen.

Pfarrer Heuß begrüßte die Anwesenden für die Kirchengemeinde St. Stephan als Hausherr und Mit-Organisator der Ausstellung. Uta Weik-Hamann als 1. Vorsitzende des ausrichtenden Kunstvereins “Kunstfreunde Lindau e.V.” sprach ihren Dank an alle Beteiligten aus. Besonders hob sie natürlich die Künstlerin hervor, deren Werke die Ausstellung überhaupt erst ermöglichten. Dann gab sie Informationen zu Vita und Meriten von Angelika Flaig und erläuterte ihre Kunst. Sie erklärte ausführlich die Technik der Lithografie und die zusätzlich noch kompliziertere Technik der Künstlerin der Mehrfach-Überarbeitung.

Pfarrer Heuß führte in die Hintergründe und Zusammenhänge zum biblischen Buch HIOB ein und erläuterte die Aktualität dieser Urgeschichte für die heutige Zeit. Damit gab er nicht nur seine Auffassung wieder, sondern auch explizit die der Künstlerin Angelika Flaig, die schon seit Jahrzehnten immer wieder gerade diesen HIOB zu ihrem Thema machte.

Das Organisationsteam der Kunst in St. Stephan (v.l.n.r. Tilmann Wolf vom Kirchenvorstand St. Stephan und Galerist, Uta Weik-Hamann von den Kunstfreunden Lindau e.V. und Pfarrer Eberhard Heuß von St. Stephan und Christuskirche Lindau)