Zum letzten Mal im Jahr 2020 und zum Abschluss der Ausstellung von Ulrike Donié fand am Sonntag-Abend, 11.10. ein Kunstgottesdienst statt. Noch einmal gaben Ulrike Doniés großformatige Bilder Anlass für Nachdenken und Gedankenaustausch zum Thema Schöpfung.
Dazu verfasste Tilmann Wolf (Galerie Peregrinus und Kirchenvorstand) diesen Text:
Im Zentrum des gut besuchten Gottesdienstes am Sonntag 11. Oktober 2020 stand das Gespräch mit der Künstlerin Urlike Donié, aus deren Hand die großformatigen Bilder zum Thema „Schöpfung“ stammen, die in der Kirche St. Stephan in Lindau 5 Monte zu sehen waren.
Angestoßen durch die Fragen der Gottesdienstbesucher entfaltete Ulrike Donié folgende Gedanken und Aspekte zu ihrem Schaffen: Aus der Aktmalerei einerseits und dem Umgang mit Farbflächen andererseits entwickelte sich die gezeigte Malerei in Acryl auf Nessel mit organischen Strukturen und expressiver Farbigkeit. Der Malprozess selbst hat dabei kein Ziel inhaltlicher oder formaler Art. Die Korrespondenz der Bildelemente, deren Spannung und deren Verbindungen werden gestalterisch in dichte und eher ruhige Zonen so ausbalanciert, dass der Betrachter mit dem Blick das Bild vom Zentrum zu den Rändern oder auch umgekehrt durchwandert.
Ihre Formensprache nimmt Impulse auf aus archetypischen Bildmustern, die jeder Mensch in sich trägt (C.G. Jung), und aus Erkenntnissen der modernen Hirnforschung. Ebenso verarbeitet sie unterschiedliche Weltanschauungen im Spannungsverhältnis zwischen den von Zielen geprägten Erklärungsmustern der Religion(en) und dem mehr zufallsorientierten Erklärungsmuster der modernen Wissenschaft. So begegnen sich Wissen und Glauben gemeinsam mit Nicht-Wissen und Zweifel. Das erzeugt Demut vor dem Unbegreifbaren und regt an, darüber nachzudenken. In diesem Sinne kann man die einzelnen Bilder als einen mikroskopischen Blick auf Entstehungsprozesse des Lebens lesen und deren Gesamtheit als Andeutung der überwältigenden Vielfalt, die physikalische Kräfte und biologischen Prozesse als Werkzeuge in Gottes Hand hervorgebracht haben.
„Da bildete Gott der Herr den Menschen aus dem Staub der Erde und blies ihm den Odem des Lebens in seine Nase. …“ Aus diesem Wort aus dem Schöpfungsbericht der Bibel griff Pfr. Eberhard Heuss zuerst den Staub auf, der ihm als Kind in Gestalt des Sands im Sandkasten als lebloses Material für seine lebendige Phantasie und deren Umsetzung in leblose Bauwerke diente. Der Odem, der mehr ist als Atem, blieb den Bauwerken vorenthalten. Odem – so Heuss – steht nicht nur für das biologische Leben, es steht insbesondere auch für Seele, Geist, Gefühl und Begeisterung. Und Odem steht auch für die Schöpferkraft, die den Motor der Gefühle, der Gedanken und des Bildervorrats der Archetypischen Seelenbilder braucht. Und Odem steht für die Schöpferkraft, die von Freude, Leid und anderen Lebenserfahrungen entfacht wird. Diese Schöpferkraft spricht Joseph Beuys an, wenn er sagt: „Jeder Mensch ist ein Künstler“ Und dieselbe bewirkt, dass uns z.B. ein Bild von Dürer auch 500 Jahre nach dessen Entstehen berührt. Gotte schenkt uns den Odem, der uns täglich neu Gestaltungskraft und Verantwortungsfähigkeit gibt und den Odem, der auch in der Ausstellung spürbar wurde.